Heinz Schröder

Am 7.4.1936 wurde ich zusammen mit meiner Frau in unserer Wohnung Berlin-Wannsee durch zwei Mann Staatspolizei festgenommen. Meine Frau wurde in das Polizeipräsidium eingeliefert und ich wurde nach ersten Verhören in Räumen des fünften Stockwerks in der Prinz-Albrecht-Straße nachmittags in das KZ Columbia gebracht.

Man führte mich in die Kammer, wo ich nach kurzer Besichtigung durch einen Sanitäter mit grauer Hose und blauer Litewka eingekleidet wurde. Ich kam in den 2. Stock zur Arbeitskompanie in Gang 2 a, Zugangsnummer 6727.

Die im Lager diensttuenden SS-Leute waren meistens österreichische Staatsangehörige, die nach dem Naziputsch und Dollfußmord über Jugoslawien geflüchtet waren und dann hier in die Totenkopfverbände eingegliedert wurden. Da sie meistens in ihren steierischen und Kärntner Dialekten ihre Befehle gaben, gab es viele Mißverständnisse und dadurch die Möglichkeit für diese Herren, besonders viel zu brüllen und herumzukommandieren. Alles mußte im Laufschritt erledigt werden. Ich war in Einzelhaft.

Am nächsten Morgen kam ich dann zum Kartoffelschälkommando in den Keller. Wir waren so ca. 20 Häftlinge. Ich wurde früh geweckt, mußte mit allem sehr schnell fertig werden, denn ich wurde zu den Verwaltungsreinigern abgestellt. Wir waren vier Mann; zwei Alte und zwei Neue. Mit Eimer, Lappen, Schrubber und Besen verließen wir mit zwei Posten den Häftlingsbereich. Reden war untereinander verboten. Es ging nach vorn zur Verwaltung. Hier war z.B. das Zimmer des Kommandanten mit einem Rollschrank, in dem die Häftlingsakten untergebracht waren. Dieser stand manchmal offen, besonders wenn die SS gesoffen hatte. Man konnte dann schnell einen Blick hineinwerfen und bei einigermaßen Glück die eigenen Akten entdecken. Waren dieselben mit irgendwelchen Zeichen versehen, so wußte man, ob man Einzelgänger war oder ob - wie in meinem Fall - noch weitere Gefangene da waren. In einer Ecke standen auch die Osterpakete. Ebenso war auf dem Schreibtisch eine Ablage, worin die Postabschnitte über Geldüberweisungen von Angehörigen für die Schutzhäftlinge waren. Wenn wir manchmal dort hineingesehen haben, konnten wir dem betreffenden Kameraden irgendwie Nachricht zukommen lassen.

Auf dem Hof erlebte ich zweimal mit, wie größere Häftlingstransporte, vom Alexanderplatz kommend, hier eingeliefert wurden. Sie wurden mit viel Geschrei und Gebrüll, mit Hunden stand die SS herum, empfangen. Sie mußten sich ausziehen, Sachen vor sich hinlegen, dann ging es ans Haareabschneiden. Da der Friseur eine alte stumpfe Haarschneidemaschine benutzte, gab es oft blutige Köpfe durch herausgerissene Haarbüschel. Danach wurden die Häftlinge zur Brause getrieben, die sich im Keller befand. Die SS stand hinter jeder Ecke, stieß oft die nackten Kameraden mit dem Gewehrkolben und schüchterte sie mit viel Gebrüll ein. Oft wurden auch im dunklen Gang die Beine gesetzt, so daß man zu Fall kam oder sich an den Wänden die Haut abschürfte. In der Brause machte sich die SS ebenfalls bemerkbar, indem mal ganz heißes und dann wieder kaltes Wasser angestellt wurde. Weiterhin beobachtete ich einmal, wie zwei ältere Kameraden, ca. 50 bis 60 Jahre alt, beim Vorbeigehen eines SS-Mannes nicht aufpaßten. Es war Vorschrift, die Hände an die Hose anzulegen, „Front zum Vorbeigehen machen“ und zu warten, bis ein „Weitermachen“ ertönte. Die beiden Männer behielten die Hand in der Hosentasche und wurden daraufhin von dem SS-Mann auf dem Hof herumgejagt - hinlegen, aufstehen, Laufschritt, kehrt und wieder hinlegen, auf dem Bauch kehrt usw. -. Das ging solange, bis sie einfach nicht mehr konnten. Wir mußten sie dann in den Keller heruntertragen.

Mein Aufenthalt im KZ Columbia dauerte 14 Tage.

Heinz Schröder: Bericht über einen Aufenthalt im KZ Columbia, in: Erlebte Geschichte. Arbeiterbewegung und Antifaschistischer Widerstand in Tempelhof. Hrsg. von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Emil Ackermann und Wolfgang Szepansky, Berlin o. J., S. 48 ff.

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