Erich Raetzke

Wir wurden dann in die Prinz-Albrechtstrasse und etwas später in das Columbia-Haus gebracht. Kaum dort angekommen, wurde ich in den Keller geschleppt, mußte mich vollkommen ausziehen, wurde auf einen Bock geschnallt, bekam ein Handtuch um den Kopf gewickelt und wurde dann von meheren SA-Leuten mit einem Ochsenziemer so lange geschlagen, bis ich die Besinnung verlor, dann bekam ich einen Kübel Wasser über den Körper, kam ich wieder zu mir, so ging die Prozedur von vorne los. Ich weiß nicht mehr, wie oft sich das wiederholte. Schließlich wurde ich herauf geschleppt und in eine Zelle geworfen aus der sogar das Klappbett entfernt war, ich lag auf dem blanken Zementboden. Als ich allmählich wieder Leben in mir fühlte, spürte ich, daß mein ganzer Rücken und meine Beine aufgeplatzt waren. Ich war vollkommen blutbesudelt und verkrustet. Die Narben, die zurückblieben, schmerzen mich oft heute noch.

Als die Wachmannschaften sahen, daß ich mich bewegte, guckten sie zur Zelle herein und sagten: „Ist der schon so weit, der muß wieder ran.“, das wiederholte sich mehrmals, aber nur um mich zu ängstigen. Jetzt bekamen wir SS-Wachen. Da war einer, der sah wie ein gepflegtes Bürgersöhnchen aus, als er meine Zelle betrat bekam ich von ihm sofort Prügel, ich mußte ihm in meinem fürchterlichen Zustand die Schuhe putzen, kniete ich dazu nieder, dann schlug er mir dauernd mit dem Schlüsselbund auf den Kopf. Das ging so tagelang. Wir hatten Gefangenenkrätzchen als Kopfbedeckung bekommen, das mußte ich so aufsetzen, daß es mir schräg über das Gesicht sass, das eine Auge verdeckend, jedesmal, wenn ich nachdem der SS-Mann die Zelle verlassen hatte, die Mütze voller Wut in die Ecke warf, stürtzte er wieder zu mir herein, schlug mich rechts und links und ich mußte das Theater weiter mit machen.

Zu essen bekam ich nichts, ich war auch zu aufgeregt, um in den ersten Tagen Hunger zu verspüren. Da setzten sie mir zwei andere Häftlinge in die Zelle, denen Essen verabreicht wurde, nun setzte natürlich bei mir auch ein wahnsinniger Hunger ein, die beiden, die mir gerne geholfen hätten, wagten aber nicht mir aus ihren Näpfen etwas abzugeben, da wir von draußen dauernd beobachtet wurden. Das war alles sehr qualvoll. Einige Tage später konnte ein etwas älterer SS-Mann die Sache nicht mehr mit ansehen und gab mir einen Topf voller Suppe, die aus heissem Wasser mit drei Stückchen Kartoffeln und vier Weißkohlblättern bestand, die hat mir damals besser geschmeckt, wie jeder Gänsebraten, den ich später gegessen habe. Nach einiger Zeit wurden wir nach Oranienburg gebracht.

Bericht von Erich Raetzke [Auszüge], Wiener Library Collections, 1656/3/7/469.

⇑ nach oben