Johann Schnarr

Ende  Sommer 1933 kam ich nach dem „Columbiahaus“ und wurde, da mich die Wache als alter Bekannter aus  Westend  sofort wiedererkannte, nach alter SS-Manier mit den langschäftigen Stiefeln begrüsst; darin lag Methode.

Den Boxer, wie er damals genannt wurde, lernte ich im Hof an der Gulaschkanone kennen, wo er das blaue Wasser mit der Kelle verteilte. Ein junger Graf kam von seiner Hochzeitsreise aus  Italien  und wurde von der „Gestapo“ nach dem „Columbiahaus“ gebracht. Bei der Essenausgabe stand er in der Reihe vor mir; als er seine Kelle voll erhielt, sagte der  Boxer  lächelnd zu ihm: „Na da wird ja die Pfeife nach stehen.“ Der Boxer war dabei, als man Fritz  Ebert  zwang, die Bronzebüste seines Vaters im Hof mit dem Hammer klein zu schlagen. Besondere Freude muss er daran gehabt haben, Inhaftierte des Nachts in der Zelle aufzusuchen und diese bis zur Bewusstlosigkeit zu misshandeln; man hörte gewöhnlich 2-3 langgezogene Schreie, dann war alles still, aber das Schlagen und Treten ging weiter.

Der Partner Kurier Franz  Sorau  in meiner Zelle hat nach einem solchen nächtlichen Besuch vom Boxer 3 Tage nachher noch an allen Gliedern gezittert. In der Nachbarzelle lag ein dem Tode geweihter Kamerad; tagelang bekam er nicht das geringste zu essen, aber jede Nacht kam der schwarze Satan zu ihm, dann hörte man nur das hilflose Wimmern 2-3mal und dann nur noch die fortgesetzten dumpfen Schläge. Diejenigen aber, die allzusehr zerschlagen waren, durften nicht zum „Bärentanz“ mitantreten. Oftmals wurde ich aus der Zelle herausgeholt, um Kaffee und Brot auszuteilen; dabei konnte ich jedesmal neue Misshandlungen feststellen und manches geflüsterte Wort weitersagen und mit Blitzesschnelle dann Hungernde ein Stück Brot zuwerfen.

Ausser dem Boxer war noch ein SS-Mann von kräftiger Erscheinung auf meiner Etage in einer Zelle, - angeblich auch Häftling - und wurde als Spitzel und zu Misshandlungszwecken benutzt. Er schlug mit Koppel und Hundepeitsche, meistens nur in der Nacht, der Name von diesem Unmensch ist mir unbekannt.

Auf manche Kameraden hatte der Boxer eine besondere Wut, so z.B. an Dr. Hilbert [Hiller] von der Weltbühne. Seine Glatze war immer blutig und sein Aussehen und Betragen eines zitternden Greises.

Da einige KPD-Genossen eingeliefert wurden, standen sie in dem Verdacht, vor dem tausendjährigen Reich in der Gegend des Karl-Liebknechthauses 2 Polizeioffiziere erschossen zu haben, die kamen gleich in den Keller neben Richard  Hüttig  in die sogenannte Todeszelle und waren daselbst mehr bewusstlos als lebend.

Ich kann mich noch sehr gut entsinnen, dass die im Keller arbeitenden Handwerker den Kameraden erzählten, dass einer in einer Todeszelle totgeschlagen worden sei. Am nächsten Tag beim Bärentanz wurde durchgeflüstert, dass derselbe im Keller verbrannt worden sei. Den Namen von diesem Kamerad kenne ich nicht, doch nach dem damaligen Gerede und der Flüsterpropaganda beim Bärentanz gab es nur einen Namen Fitzner der Boxer hat die Bluttat vollbracht.

Tagelang regnete es auf dem Gefängnishof der dort liegenden Haufen Pakete; im Gänsemarsch mussten wir den Haufen umgehen, dann kam das Kommando: „Hinlegen! Die Bauchwippe 15mal, bis zur völligen Erschöpfung.

Die Pakete sahen wir vor den Augen und dachten, da ist eins für Dich dabei und dann noch zusehen, wie der  B oxer  von hinten kommt und den Erschöpfenden am Hosenbund hochhebt und auf die Erde wirft; das kostet Nervenkraft.

Eidesstattliche Erklärung von Johann Schnarr [Auszüge], undatiert. Landesarchiv Berlin, B Rep 058 Nr. 11047.

 

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