Paul Henkel
Ich kenne den [Karl] Fitzner seit ungefähr 1931 vom Sehen; er hatte den bezeichnenden Spitznamen „Boxerkarl“. Ungefähr mit Beginn der sog. Machtübernahme muss er in die SS eingetreten sein, da ich ihn von diesem Zeitpunkt an von Zeit zu Zeit in SS-Uniform gesehen habe, und zwar in der Gegend Luxemburger Strasse.
Im Februar 1934 wurde ich wegen Weiterführens des Einheitsverbandes für das Baugewerbe, welcher damals der RGO angehörte, von der Gestapo verhaftet und in das Columbiahaus eingeliefert. Dort tat sich für uns die Hölle auf: Wir mussten mit dem Gesicht zur Wand in einer langen Reihe auf dem Korridor antreten, wurden mit Schaftstiefeln in die Kniekehlen getreten und mit dem Kopf gegen die Wand geschlagen. Dies hatte meist Nasenbluten und Gehirnerschütterungen zur Folge. Ich weiss genau, dass Fitzner bei allen diesen Untaten beteiligt war. Ab und zu mussten wir, sogar sonntags nachmittags um 4 Uhr, auf dem Hof antreten, marschieren und nazistische Lieder singen. Wenn wir das nicht taten, was manchmal der Fall war, mussten wir länger exerzieren. Auch hieran war Fitzner beteiligt. Wir bekamen sehr wenig zu essen.
Als wir eines Tages wieder mit zur Wand gerichtetem Gesicht auf dem Korridor standen, trat Fitzner hinter mich und hielt mir eine dicke Bockwurst vor die Augen. Um mich zum Zugreifen zu veranlassen, sprach er: „Paule, die ess ich heute zum Abendbrot, das ist eine vom Führer, und nicht von Euch“. Ich griff aber nicht zu, weil ich genau wusste, dass ich dann sofort von ihm geschlagen worden wäre. Ich habe mir diese Verhöhnung mit zusammengebissenen Zähnen gefallen lassen. Ein inzwischen gestorbener Kollege von mir ist in einer Weise misshandelt worden, die seinen Tod zur Folge hatte. Da ich mit dem Gesicht zur Wand stand kann ich nicht sagen, ob die Untat von Fitzner oder einem anderen SS-Mann begangen wurde. Nachts konnten wir oft vor Lärm nicht schlafen, wenn neue Häftlinge eingebracht und misshandelt wurden. Wir atmeten auf, als wir nach einer Woche endlich ins Polizeigefängnis Alexanderplatz eingeliefert wurden, denn wir hätten nicht mehr lange durchhalten können.
Aussage von Paul Henkel vor der Kriminalpolizei in Berlin-Wedding vom 9. Mai 1947 [Auszüge]. Landesarchiv Berlin, B Rep 058, Nr. 11047.